Monat: Juli 2012

  • Wie sich Facebook mein Leben vorstellt

    Wie sich Facebook mein Leben vorstellt

    Gerade ist die Empörung wieder verebbt, ob Social Media-Aktivitäten zur Kreditwürdigkeit ausgewertet werden können und nach öffentlichem Aufschrei besteht Hoffnung, dass die Meldeämter unsere Daten doch nicht an die Werbeindustrie verkaufen dürfen. Andere noch viel beunruhigendere Projekte wie das europäische Projekt INDECT, das technische Lösungen entwickelt, wie „auffällige“ Aktivitäten von Menschen im öffentlichen Raum, mit Internetnutzung und weiteren Informationsquellen verknüpft werden können, haben die öffentliche Wahrnehmung dagegen noch kaum erreicht.

    Da erscheint Facebook fast harmlos: Ich mag keine Ahnung haben, wo meine Daten bis wann so gespeichert sind und ein Freund der Inhalte von mir zu sorglos teilt, mag all meine Überlegungen, was ich wie öffentlich machen will, schnell zunichte machen. Und kann ja sein, dass Facebook meine Chats mitschneidet oder überprüft, wo ich so alles durchs Internet serve.

    Aber @Facebook: Wenn Du das wirklich auswertest, dann liegst Du sehr schief mit Deinem Bild von mir – zumindest so wie Du es mir durch die eingeblendete Werbung widerspiegelst.

    Fast immer an höchster Werbeposition bei mir Singles bei Facebook. Nicht dass ich zu meinem Beziehungsstatus bei Dir je was öffentlich gemacht hätte… Sagt Dir liebes Facebook das schon genug? Und Du bietest gleich noch mehr: Meine absolute Lieblingsanzeige Wen wirst du heiraten?. Mal davon abgesehen, dass die meisten meiner Real-Life-FreundInnen schon mal einer Hochzeit von mir beigewohnt haben – Horoskope für eine Theologin ist jetzt nicht ernst gemeint, oder?

    Nun gut, frau kann ja mehr als einmal heiraten und deshalb wohl gleich folgende Angebote: High Heels zum Verlieben, Sexy Kleider, Romantische Kleider zur Hochzeit und falls es nicht die eigene sein sollte, Brautjungfernkleider! Ich wusste gar nicht, dass es das in Deutschland gibt!

    Besonders schön, aber auch die diversen Tipps á la Diät flachen Bauch – so nehmen sie jede Woche 4 kg ab (da schmerzt mich als Germanistin schon die Grammatik). Und damit ich den Mann meines Lebens wohl trotzdem vorher schon gewinnen kann: Sexy XXL-Dessous. Ach ja und falls ich mit meiner Figur ohne Diättipps schon zufrieden sein sollte, lässt sich das auch per Werbeanzeige ändern Magenknurren und dazu ein Foto mit Burger und Pommes zur Online-Bestellung, oft genug geklickt könnte ich dann sicherlich die Diättipps gut brauchen 😉

    Danke Facebook: Die Themen meines Lebens scheinst Du allzu gut zu kennen: Freund finden, heiraten, abnehmen, Kleider und Schuhe und bei allem das Wichtigste: Sexy sein!

    Ich schwanke zwischen Beruhigung, wie wenig Du trotz meiner zahlreichen Online-Aktivitäten von mir weißt und Verärgerung, welches Bild von den Interessen einer 31jährigen Frau Du und Deine Werbekunden so haben. Denn um das jetzt mal deutlich zu sagen: Mein Leben und ich glaube dass vieler meiner Freundinnen dreht sich nicht um Schuhe oder die eigene Figur oder die Hochzeit als Angelpunkt des Lebens, sondern um Freundschaft, Liebe und Familie, um politisches Interesse und Engagement, um die eigene Arbeit und das Weiterkommen, um Bücher, Musik und vielleicht auch ne Ausstellung, um Sport, Reisen, neue Erfahrungen und den nachmittäglichen Kaffee an der sommerlichen Spree…

    Aber eigentlich schön, dass Du dafür noch keine passenden Anzeigen hast!

  • Urlaubspostkarten

    Urlaubspostkarten

    Ob das allen so geht: Facebook aufmachen und dann diese Timeline mit nur zwei Themen:

    1. Schlechtes Wetter und die dazugehörigen Beschwerden über den ausbleibenden Sommer in Deutschland und
    2. noch viel schlimmer: Dazwischen die Beweisfotos der Freunde, die es in den Süden, in sonnige Berge, ans tiefblaue Meer geschafft haben. Neuerdings oft nicht nur auf Facebook, sondern gleich noch in eigenen Blogs. (z.B. dieser @Holger: hier gleich Dein Wunschlink 😉 oder mein Lieblingstraumpärchen aus Island www.mahel.org)

    Ja, ich tue das auch, alles beides: Ich beschwere mich über das Wetter und mich quält in Urlauben mit WLAN die unbändige Freude, allen Daheimgebliebenen zu zeigen, wie gut es mir geht, wie schön mein Leben ist, wie perfekt. Und ja, ich freue mich über die neidischen Kommentare. (Also gebe ich im Gegenzug auch welche ab, über die sich die Reisenden dann hoffentlich freuen können;-)

    Nein, ich verzichte darauf, jetzt zu lästern, dass das alles ja nur schöner Schein ist, es selten jemand (zumindest meiner „Freunde“) auf Facebook wagt, über seine Urlaubsbeziehungskrise, das überteuerte Hotel, den vollen Strand, das Glas Alkohol zu viel am letzten Abend und seine Folgen zu schreiben. Es mag wahr sein, dass die Facebook-Chroniken nur die halbe Wahrheit sind und zwar die freundliche. Doch was spricht eigentlich dagegen, die früheren Urlaubspostkarten waren ja nun wahrlich nicht ehrlicher, oder?

    Denn, neben all meinem freundschaftlichen Neid freue ich mich ehrlich mit und beruhigt es mich, zu wissen, dass mir liebe Menschen gerade eine hoffentlich wirklich gute Zeit haben. Auch wenn sie fernab sind, lassen die Bilder mich hoffen, dass diesen Menschen ihre Probleme gerade fern sind, sie durchatmen, aufatmen tief #hachen können.

    Und natürlich, von einigen möchte ich viel mehr wissen, will wissen, ob der Urlaub ihnen neue Perspektiven gebracht hat, bin bereit, Scheitern, Frust, Traurigkeit zu teilen. Alles Themen, die in Briefen, Mails, Chats, Telefonaten und vor allem in persönlichen Gesprächen von Angesicht zu Angesicht so viel besser aufgehoben sind.

    Aber ganz ehrlich, von manchen reicht mir der unpersönliche Facebook-Urlaubsgruß völlig aus. Und ich – ich räche mich, wenn ich endlich selber unterwegs bin, mit sonnigen Bildern glücklicher Landschaften, perfekter Kühe und gut aussehender Menschen. Versprochen!

  • Sommernacht

    Büroalltag, draußen Sonne; warme, kurze Nächte; chronisch werdender Schlafmangel (Schuld sind die Amseln, die in Berlin lauter und früher singen als irgendwo anders);
    Leben – so dicht und warm und so lebenswert.

    Und dann diese Momente – ich hoffe, ihr kennt das: Nachts auf dem Rad, alles langsamer, ruhiger, aber weiter pulsierend im Takt der nie ganz schlafenden Stadt, die Musik von eben noch im Ohr.

    Und da taucht es auf, überfällt mich, von hinten über die Schulter, singt, kichert, hüpft, ist nicht zu bändigen. Es trällert: „Hier bin ich“ und „Fang mich“ und „Wag es, nicht mich festzuhalten!“
    Also antworte ich lächelnd: „Hallo Glücksgefühl – da bist du ja wieder, willkommen!“ und „bleib, so lange du magst!“